Für Seppo, der Versuch, eine Rede zu halten.

Hochsensibel, kreativ, ein wenig verrückt –
das sind wir, mit Verlaub, als Künstler fast alle…
andererseits zurückgezogene Eremiten, die sich in ihre Welt einnisten,
einerseits Vorreiter (wie man so schön auf französisch sagt: avant-garde),
in der sie sich zuhause und wohlfühlen: in der sie Geborgenheit finden…
Als Mensch, der viele Reisen gemacht hat auf dieser Welt, hat er vieles
gesehen und auch festgehalten auf Zelluloid, mit einer Fotoschicht aus
lichtempfindlichen Chemikalien, die in alchimistischen Dunkelkammern
komplizierten Bädern ausgesetzt wieder zum Leben erweckt wurde –
man ging langsam und sorgfältig an das Bild heran…
Heute: auf sogenannten „Datenträgern”, unsichtbar
und digital, sofort sichtbar in Sekundenbruchteilen…
eine gewisse Schnelligkeit, Schnelllebigkeit hat sich eingeschlichen.
Unsere Wahrnehmung von Bildern hat sich radikal verändert –
sie ist inflationär geworden, aufgeblasen, zur Datenflut geworden…
Unser Leben: gleicht es nicht einem Film, mit einer uralten Schicht
aus Eiweiß, man könnte sagen: dem Uhrschleim des Lebens, der wir doch sind?
Seit unvorstellbar langen Zeiten werden wir belichtet bis zu unserem Tod,
den man fotografisch als „Filmriss” bezeichnen könnte –
Andere Menschen entwickeln unsere Filme oft jahrtausendelang weiter…
So möchte ich alle hier Anwesenden ersuchen, an unseren Seppo
fotografisch heranzugehen und seinen Film, sein Leben, wo wir es für
Augenblicke gemeinsam belichtet haben, in uns weiter zu entwickeln,
zum Leben zu erwecken in unserem Geist –
Wobei Geist in unserer geistlosen Zeit wieder zur Seele werden kann,
an die man eher denkt in Situationen wie hier an diesem Ort:
Wenn es quasi ans eingemachte geht, an unseren Kern
und unser ureigenstes Wesen…
In Gegenwart des Todes, im Bewusstsein unserer Vergänglichkeit
bekommt auch die Psychologie wieder ihre Seele zurück.
Psychologie ist ja verkommen zu einem Instrument von Wirtschaft
und Politik – hier an diesem Ort wird sie wieder persönlich,
wesentlich – und damit auch wertvoll!
Entwickeln wir bitte alle unser Bild vom Sepp – und er lebt in uns weiter!
Zum Abschluss noch ein japanisches Haiku-Gedicht:
„Dieses Leben –
wem könnt´ ich es vergleichen?
Dem Spiegelbild des Mondes
glitzernd in einem Tropfen Tau
am Schnabel der wilden Ente…”
Vielen Dank!
Dein alter Freund Kosmo, Wien am 19.II.2015